Ihre SPD im Kreis Reutlingen

 

Bundes-Jahrestagung des AK "Christen und SPD"

Veröffentlicht in Arbeitsgemeinschaften

Wolfgang Thierse: 10 Punkte zur Friedenspolitik:

ein Fazit nach einer doch sehr vielfältigen, facettenreichen Debatte, das ist nicht ganz leicht.

Deswegen beginne ich mit einer Enttäuschung: wir haben heute keine Lösung  des Syrienkonflikts gefunden. Wir haben keinen Masterplan  für den Kampf gegen den Terror gezeichnet und keine Blaupause für eine Weltfriedensordnung. Aber wir haben ein richtiges, weil wichtiges Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Immerhin.

Erstens (das ist der erste von 10 Punkten): Wir haben die Erinnerung an einen wichtigen Begriff von Willy Brandt gewonnen: Friedensrealismus.
Ich habe neulich in einem Interview mit Frank-Walter Steinmeier einen schönen Satz von ihm gefunden: „Ich habe mich entschieden, nicht den Mond anzuheulen , sondern versuche zu retten, was friedliches Zusammenleben möglich macht.“ Das ist eine genaue Beschreibung von Friedensrealismus, nämlich gegen Resignation und Zynismus mit Leidenschaft, Geduld – und moralisch begründet – Außenpolitik zu betreiben!

Punkt 2: Frank-Walter Steinmeier hat daran erinnert, ich erinnere mich auch daran, 1989/90, im Jahr der Wunder, haben wir  von einem goldenen Zeitalter des Friedens geträumt und von einer Friedensdividende. Nichts ist daraus geworden. Das Ende der Zweiteilung der Welt, des Ost-West Gegensatzes hat dazu geführt, dass wenn nicht alle, so doch viele der politischen Institutionen, Strategien und Instrumente nicht mehr so richtig zu der veränderten Welt passen, zur „Weltunordnung“, zur „Unübersichtlichkeit“, wie immer wir das nennen und deswegen ist die erste Konsequenz von Friedensethik und Friedenspolitikheute  zu begreifen, dass wir verschiedene Dimensionen und Aspekte friedensethisch begründeter Politik abarbeiten müssen und dafür Ideen, programmatische Entwürfe,  Strategien und Instrumente entwickeln müssen.

 

3. Bemerkung: Christliche Friedensethik – ich sage das nochmal mit anderen Worten – muss diese Unübersichtlichkeit und Weltunordnung reflektieren und sozialdemokratische Politik muss darauf reagieren und darin handeln. Deswegen gefällt mir ein Satz sehr gut, den ich für  treffend halte: „Friedenspolitik ist Ambivalenzmanagement“. Das ist es. Und genau das soll man nicht verteufeln. Auch und gerade nicht vom hohen moralischen Ross.

Viertens:  Wir Sozialdemokraten haben doch einen ganz bestimmten Erfahrungshintergrund: nämlich die Erinnerung an die sozialdemokratische Ost- und  Entspannungspolitik und ihre Erfolgsgeschichte. Sie ins Heute zu übersetzen, kann und soll heißen, an das Konzept der gemeinsamen Sicherheit zu erinnern, denn das war ihr Kern. Egon Bahr hatte immer gesagt, wir haben keine Sicherheit, gegeneinander sondern nur miteinander. Aber, füge ich sofort hinzu, unter der Bedingung der Unübersichtlichkeit ist diese Übersetzung ziemlich schwierig: Wer ist der Gegner? Wer kann zum Partner gemacht werden? Und wie soll das geschehen? Das ist ziemlich schwierig. Trotzdem sollten wir an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen. Und vor diesem Hintergrund und dieser Erfahrung, halte ich den Paradigmenwechsel von der Sicherheitslogik zur Friedenslogik – Cornelia Füllkrug-Weitzel hat das erläutert – für wichtig und spannend für uns Sozialdemokraten. Das ist ja durchaus eine Erinnerung an die Entspannungspolitik. Gegen die Reduktion auf Sicherheit, zumal militärisch verteidigte Sicherheit, die Erinnerung an die Mehrdimensionalität von Friedenspolitik, an den Vorrang des Zivilen und des vernetzten Handelns, zu betonen, das ist ein sehr wichtiger Akzent dieses gewünschten Paradigmenwechsels.

 

5. Punkt: Daraus folgert, durchaus Frank-Walter Steinmeier folgend: Es geht darum, auf neue Weise eine Friedensordnung zu bauen, also die Institutionen der Internationalen Ordnung zu bauen, wieder aufzubauen oder zu stärken, da wo sie vorhanden sind aber zu schwach. Die internationale Rechtsordnung zu stärken, die Geltung des internationalen Rechts, das ist selbstverständlich. Aber wenn man um den beklagenswerten Zustand der UN und vor allem des Sicherheitsrates weiß, weiß man auch, wie schwierig diese Aufgabe ist. Dazu gehört – das hat heute keine Rolle gespielt -  aber das ist ein wichtiges Thema: Ordnung, Rechtsordnung in der digitalen Welt zu schaffen. Dazu gehört auch, das brauche ich jetzt nicht noch einmal sagen, eine Aufwertung und Neusortierung dessen, was wir traditionell Entwicklungszusammenarbeit nennen. Dann, was auch keine Rolle gespielt hat, ich will nur daran erinnern: Eine faire, gerechte Welthandelsordnung ist eine Voraussetzung für künftigen Frieden. Und dann, noch dramatischer, eine globale Finanzordnung, die Regulierung der internationalen Finanzordnung, auch das ist ein Teil von Friedenspolitik. Die zuletzt genannten Themen habe in unserer heutigen Diskussion keine Rolle spielen können, wir konnten nicht alle Aspekte beleuchten.

Dies alles ist übrigens im wohlverstandenen eigenen Interesse, im nationalen Interesse Deutschlands. Ich möchte, wie Heinz Gerhard Justenhoven, daran erinnern, dass es durchaus legitim ist, die eigenen Interessen zu definieren. Es kommt darauf an, wie man es macht.

 

6. Punkt: „Stabilisierungsstrategien“ hat es  Frank-Walter Steinmeier genannt, mir gefällt der Terminus „Stabilitätsstrategien“ eigentlich besser, weil es ja darum geht, nicht nur etwas, das zerfallen ist, wieder neu zu stabilisieren, zu restabilisieren, also nicht nur um den Wiederaufbau von nationalstaatlichen Strukturen, politischen Institutionen, von Infrastruktur, von Strukturen der Zivilgesellschaft und Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure. Sondern auch – vorhin war davon ausführlich die Rede – um die unterschiedlichen Facetten  von Krisenprävention und von Konfliktvorsorge.
Deswegen glaube ich, ist das friedensethische Leitbild von dem Cornelia Füllkrug-Weitzel gesprochen hat, ziemlich wichtig. Das sollte eigentlich ein Schlüsselpunkt sein.

 

7. Akute Krisen entschärfen, Krisen lösen, Krisen bewältigen, ist selbstverständlich Verpflichtung von Friedensalltagspolitik, die wir nicht gering schätzen sollten. Solche Friedenspolitik hat immer auch die Aufgabe des Feuerlöschers. Sie ist unweigerlich immer ein Prozess ständiger Entscheidung in ambivalenten und offenen Situationen. Und ohne Garantie des Erfolgs.

 

8. Was auf all diesen Ebenen passiert, die verwendeten, entwickelten Strategien, die eingesetzten Instrumente, sie bedürfen der sorgfältigen und differenzierten Prüfung an ihrem realpolitischen Erfolg. Deswegen ist Friedensforschung nach wie vor wichtig, ist ein Teil von Friedenspolitik, muss deswegen auch vernünftig finanziert werden. Und sie muss geprüft werden anhand von friedensethischen und völkerrechtlichen Kriterien. Das wäre jetzt der Punkt um ausführlicher über die Frage der Rüstungsexporte zu reden, deren Reduzierung jedenfalls eine wichtige, zeichenhafte Handlung von Friedenspolitik wäre.

Hans-Richard Reuter und Heinz-Gerhard Justenhoven haben Hilfreiches gesagt zu einem praktikablen Pazifismus im Unterschied zu einem gelegentlich radikalen  Pazifismus, der im Gesinnungshaften verbleibt. Es geht um die Übersetzung von pazifistischen Grundüberzeugungen in Handlungsmöglichkeiten, Stichwort „Internationale Schutzverantwortung“: Wie können wir sie schützen gegen ihren Missbrauch durch Partikularinteressen von Staaten aber auch vor gesellschaftlichen Strukturen? Wie können wir der Verabsolutierung von Bündnistreue begegnen?

 

9. Ich hätte Lust, etwas über Menschenrechtsfundamentalismus zu sagen. Was darf den Vorrang der Menschenrechte, von denen wir alle miteinander überzeugt sind,  und was muss den Vorrang von Menschenrechten relativieren? Darüber zu reden halte ich für sinnvoll, weil ich gelegentlich den Eindruck habe, mit dem Stichwort wertegebundene Außenpolitik wird auch Schindluder getrieben. Ja, wir sind alle der Meinung, dass unsere Außenpolitik wertegebunden, ethisch begründet sein soll, aber wir wissen doch auch, dass Friedenspolitik auch immer wieder Politik Schritt für Schritt, von Kompromiss zu Kompromiss ist: „Wandel durch Annäherung“ – das war keine Politik des menschenrechtlichen Fundamentalismus, sonst hätte es diese Politik nicht gegeben oder hätte jedenfalls keinen Erfolg gehabt.

 

10. Es wird üblich, auch in diesem Lande, man muss nur in die Zeitungen schauen, etwa in einen der letzten „Spiegel“ – es wird üblich zu meinen, Religion sei das Problem, sei Konflikttreiber, sei Brandstifter oder wenigstens Brandbeschleuniger. Die Rede von der Gefährlichkeit der Religion wird ubiquitär und man macht keine Unterscheidung mehr, alle Katzen sind grau. Das nenne ich die Verwechselung von Religion mit deren Ideologisierung. Und diese Art, zu denken und zu meinen, vergisst eine fundamentale Erfahrung des 20. Jahrhunderts: auch Nichtreligion, Atheismus, areligiöser Humanismus haben Gewalt und Terror begründet. Mindestens das sollte man aus Gründer der intellektuellen Redlichkeit im Gedächtnis behalten und sich gelegentlich vergegenwärtigen.

Positiv gesagt: Wenn Religion, und das ist ja so, ein Teil des Problems sein soll und ist, dann kann und muss sie auch Teil der Lösung sein. Und darüber muss man reden, wie das geschieht. Es geht darum, das Friedens- und Versöhnungspotential von Religion zu nutzen - übrigens auch deren ideologiekritischem Potential!

 

 

 

 

Homepage Susanne Stetter

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